Verschollen im Karakorum

27. Juni 1957: Hermann Buhl verunglückt an der Chogolisa

Der legendäre Bergsteiger stürzt an dem Siebentausender mit einer Wechte in den Tod.

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Erstbesteigungsversuch von Hermann Buhl und Kurt Diemberger an der Chogolisa

Warum soll es nicht noch einmal klappen? Keine drei Wochen nach ihrem gemeinsamen Erfolg am Broad Peak (8051m) fassen Hermann Buhl und Kurt Diemberger eine weitere Erstbesteigung ins Visier. Diesmal nicht an einem Achttausender, sondern an der immerhin 7668 Meter hohen Chogolisa, einem Eiskoloss in der Region Gilgit-Baltistan in Pakistan.

Die Begehung soll erneut schnell und im Westalpenstil realisiert werden, also nur mit minimaler Ausrüstung, ohne die Hilfe von Hochträgern, Lagerkette oder Flaschensauerstoff. Am 25. Juni erreichen die beiden Österreicher den Südwestgrat, wo sie rund 1000 Höhenmeter unterhalb des Gipfels biwakieren.

<p>Gezeichnet: Das wohl berühmteste Foto von Hermann Buhl, aufgenommen nach dessem  Alleingang am Nanga Parbat im Jahr 1953.</p>

Gezeichnet: Das wohl berühmteste Foto von Hermann Buhl, aufgenommen nach dessem  Alleingang am Nanga Parbat im Jahr 1953.

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Hermann Buhl verschwindet plötzlich

Alles läuft nach Plan, Diemberger und sein väterlicher Mentor kommen gut voran. Dann, den höchsten Punkt bereits deutlich vor Augen, zwingt sie am 27. Juni ein Wetterumschwung zum sofortigen Abstieg.

Im dichten Nebel tastet sich das Gespann unangeseilt Meter um Meter den Berg hinab. Diemberger voraus, Buhl in einigem Abstand (und zunächst noch) in dessen Spur hinterher.

Als sich Diemberger das nächste Mal wieder zu seinem Begleiter umdreht, ist dieser verschwunden. "Es geschah plötzlich und fast lautlos, und es dauerte eine Weile, bis ich verstanden habe, was passiert ist", erinnert sich der heute 91-jährige Diemberger in einem Interview in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 03. März 2017.

Hermann Buhl wurde nur 32 Jahre alt

Was sich genau an diesem 27. Juni 1957 an der Chogolisa zugetragen hat, ist bis heute nicht gänzlich geklärt. Buhl muss im dichten Schneetreiben offenbar die Spur seines Seilpartners verloren haben. Seine Fußabdrücke, so zeigt es das berühmte Foto, das Diemberger von der Unglückstelle aufgenommen hat, führen geradewegs zur Abbruchkante einer Wechte, die in die Nordwand hineinragte. 

Hermann Buhl, begnadeter Kletterer und der wohl beste Höhenbergsteiger seiner Zeit, stürzt mit nur 32 Jahren in den Tod - und wird dadurch endgültig zum Mythos. Sein Leichnam wurde bis heute nicht gefunden.

Über Hermann Buhl

Buhl, der 1924 auf die Welt kam, hatte keine leichte Kindheit: Nachdem seine Mutter gestorben war, als er vier Jahre alt war, kam er vorübergehend ins Waisenhaus, bevor er in der Familie seines Onkel aufgenommen wurde. Schon als Jugendlicher trainierte er an der Nordkette und im Höttinger Steinbruch, der heute ein beliebter Klettergarten ist. Sein Material war improvisiert: zu große Bergschuhe, Wäscheleinen als Seil-Ersatz …

Mit 15 Jahren trat Buhl in den Alpenverein ein, kletterte damals schon VIer-Touren. Während des Krieges absolvierte er eine Lehre als Speditionskaufmann und kam 1943 an die Front und nach der Schlacht am Monte Cassino in amerikanische Gefangenschaft. Als er 1946 zurückkehrte, hielt er sich mit diversen Jobs über Wasser und ließ sich zum Bergführer ausbilden. 1951 heiratete er Eugenie Buhl ("Generl"). 1952 war Buhl am Piz Badile - mit dem Rad ab Innsbruck - und auf der Rückfahrt so müde, dass er in den Inn stürzte.

Der große Erfolg war dann 1953 die Erstbesteigung des Nanga Parbat im Jahre 1953, dem vier Jahre später der Broad Peak folgte: in einem kleinem Team im "Alpin-Stil", der sich damals als bewusste Gegenbewegung zum großen Expeditions-Stil der 20er- und 30er-Jahre entwickelte.

Der am 27. Juni 1957 an der Chogolisa abgestürzte Buhl war, ist und bleibt einer der bedeutendsten Felskletterer und Höhenbergsteiger aller Zeiten und eine Alpin-Legende.

Text von Holger Rupprecht

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