Zwei neue Halbautomaten der Saison 2024

Im Test: Das können die neuen Sicherungsgeräte Neox und Pinch

Es ist in der Technik häufig so, dass zwei sehr ähnliche Produkte fast zeitgleich auf den Markt kommen. So auch bei den beiden neuen Halbautomaten Pinch von Edelrid und Neox von Petzl. Wir haben die beiden neuen Sicherungsgeräte getestet.

Im Test 2024: Das können die neuen Sicherungsgeräte Neox und Pinch
© Birgit Gelder

Neue Sicherungsgeräte 2024: Gamechanger?

Sicherungsgeräte werden grob in drei Klassen eingeteilt: dynamische Sicherungsgeräte (Tuber, HMS …), Auto-Tuber (Smart, Fish, ­Click Up) und Halbautomaten (GriGri, Matik …). Bei den Halbautomaten (Sicherungsgerät mit Blockier­unterstützung) ist bisher das GriGri von Petzl der unbestrittene Platzhirsch. 

Das ist insofern interessant, als dass für das Gerät eine spe­zielle "Bedien-Technik" erfunden werden musste (nachdem es auf dem Markt war), da es sonst entweder nicht sicher oder nicht komfortabel in der Bedienung war (zumindest die erste Version des GriGri). Diese Technik (die Gaswerkmethode, benannt nach der Kletterhalle in der die Methode entwickelt wurde) behob also herstellerbedingte Schwachstellen und wurde international als Lehrmeinung implementiert.

Neu x 2: Pinch und Neox

Jetzt gibt es gleich zwei neue Geräte im Bereich der Halbautomaten: das Neox von Petzl und das Pinch von Edelrid. Das ist insofern interessant, als dass in wenigen Wochen gleich zwei ähnliche Geräte auf den Markt kommen, nachdem es jahrelang keine (nennenswerten) neuen Sicherungsgeräte gab. Aber wie verhalten sich nun die Neuen in der Praxis?

Der ganze Test Sicherungsgeräte zum Blättern und Herunterladen

Der Schnellausgeber - Neox von Petzl

Das interessantere Gerät von den beiden ist das Neox, weil es in der Mechanik anders ist als alles, was es bisher gab. Es arbeitet NICHT mit einer Fliehkraftbremse wie ab und an zu lesen war. Das Neox hat eine runde, leicht laufende Rolle im Gehäuse, in deren Grund leichte Kanten sind. Diese Rolle ist auf einer Feder gelagert. Wird die Kraft groß genug (Sturz), zieht es das Rad gegen die Federkraft in Richtung Gehäuse und es klemmt so das Seil ab. Außerdem verhakt sich das Rad im Inneren an einer von zwei Klinken.

<p>Im Grund der Rolle des Neox sorgen Kanten für mehr Seilgriff.</p>

Im Grund der Rolle des Neox sorgen Kanten für mehr Seilgriff.

© Birgit Gelder

In der Praxis bewirkt das leicht laufende Rad, dass man extrem leicht und einfach Seil ausgeben kann. Und zwar so leicht, dass geübte GriGri-Nutzer nicht glauben können, dass das Gerät bei Last auch zuverlässig zumacht. Selbst dicke, alte, steife Seile laufen wirklich toll durch das Gerät. Um aber zu klemmen, braucht es den Impuls der Bremshand. 

Deshalb verweist Petzl auch sehr nachdrücklich (auch auf dem Gerät) auf das Bremshandprinzip. Gerade mit Drift (langsam beginnender Seildurchlauf) kann das Neox sonst auch durchlaufen, ohne dass der Klemmmechanismus anspringt (nicht umsonst startet Petzl parallel zur Einführung des Neox eine Kampagne zur Wichtigkeit der Bremshand). 

Diese Mischung ist bisher so nicht auf dem Markt. Vom Seilausgeben her erinnert es wenn überhaupt an das (wenig verbreitete) Revo von Wild Country.

Im Herstellervideo zeigen Alex Megos und Michaela Kiersch auf, wie das Petzl Neox funktioniert und haben einige Tipps für die richtige Nutzung. Auch wenn das NEOX® dem GRIGRI ähnlich sieht, hat es einen anderen internen Mechanismus und funktioniert daher anders. Eins bleibt jedoch bei allen Sicherungsgeräten gleich: Die Bremshand umschließt immer das Seil!

Das Neox von Petzl: Für jeden geeignet?

Das Neox ist eigentlich ein Gerät für Anfänger (leichtes Seilausgeben), durch die essenzielle Bremshand (okay, ganz streng genommen hat die jedes Sicherungsgerät, es gibt aber Geräte, die "toleranter" sind) ist es aber eher wieder ein Gerät für versierte Nutzer. 

<p>Petzl weist auf dem Gerät auf die Wichtigkeit der Bremshand hin.</p>

Petzl weist auf dem Gerät auf die Wichtigkeit der Bremshand hin.

© Birgit Gelder

Gegen die Expertennutzung (mit häufigen Stürzen) spricht dann aber wieder die Tatsache, dass ein dynamisches Sichern mit dem Neox nicht möglich ist. Aber auch hier muss man ehrlich sagen: Man kann mit keinem der Halbautomaten oder Auto-­Tuber, die auf dem Markt sind, dynamisch sichern (außer den Anteil durch Körper-Mitgehen). Wirkliches dynamisches Sichern (kontrolliert Seil ins Sicherungsgerät einlaufen lassen) kann man nur mit dynamischen Geräten (s.o.).

Das Solide - Pinch von Edelrid

Und das Pinch? Das Gerät erinnert in vielen Punkten stark ans GriGri. Zum schnellen Seil­ausgeben ist es je nach verwendetem Seil gut, die Gaswerkmethode anzuwenden. Der Klemmnocken innen sieht dem des GriGri sehr ähnlich. Das Gerät hat eine Panikfunktion am Ablass­hebel, kann dann aber auch "überzogen" werden, um beispielsweise sehr leichte Kletterer abzulassen. 

Die Panikfunktion kann mit einer kleinen, beiliegenden Schraube auch deaktiviert werden. Wer mit dem Pinch und einem etwas steiferen/dickeren/älteren Seil schnell Seil ausgeben will, tut sich schwer und greift dann sicherlich auf die Gaswerkmethode zurück. Mit dünnen (9,4mm) und glatten Seilen geht das schnelle Seilausgeben sehr gut, auch ohne Gaswerkmethode, wenn man sich angewöhnt, das Seil von oben einzuführen.

Das Pinch von Edelrid: Direkte Verbindung

Eine echte Neuerung am Pinch ist die Tatsache, dass man das Gerät direkt in den Gurt einhängen kann und keinen Karabiner vorschalten muss. Das geht bei allen halbwegs modernen Gurten sehr gut. 

Ist die Sicherungsschlaufe sehr breit, wird es schwierig. Das direkte Einhängen des Geräts in den Gurt bringt zwei Vorteile mit sich: Erstens kann man mit einem Hub mehr Seil ausgeben, weil man mehr Spielraum zwischen Hand und Gurt hat. Zweitens kann es zwischen Sicherungsgerät und Karabiner keine Querbelastung geben.

<p>Das Pinch kann direkt (ohne Karabiner dazwischen) in den Gurt ein­gehängt werden.  </p>

Das Pinch kann direkt (ohne Karabiner dazwischen) in den Gurt ein­gehängt werden.

© Birgit Gelder

Allerdings sollte man beim Schließen des Pinch darauf achten, dass es auch solide einrastet. Es gibt zwar auf dem Hebel, an dem das Gerät entriegelt wird, eine optische Warnung, die ist aber eher klein. Allerdings verriegelt das Gerät mit einem recht satten "Klick" und außerdem gibt es ja noch den Partnercheck (der dann um einen Punkt erweitert wird).

Das Pinch kann auch gut zum Sichern bei Mehrseillängenrouten verwendet werden, ohne den Kletterer im Übergang zwischen Vorstieg und Nachstieg umhängen zu müssen. Doch Achtung: Bei der Sicherung über den Fixpunkt (Standplatz) mit einem Halbautomaten entstehen bei einem Vorsteiger-Sturz hohe Fangstöße.

Hier findet ihr unseren Vergleich mit den zwei neuen Halbautomaten-Modellen:

Der Edelrid Pinch und der Petzl Neox im Vergleich
Produktcheck: Sicherungsgeräte

Gamechanger oder alter Hut? Wir haben die zwei neuen Halbautomaten Pinch von Edelrid und Neox von Petzl für euch unter die Lupe genommen!

Sicherungsgeräte im Vergleich 2024: Das ist unser Fazit

Das extrem schnelle und leichte Seilausgeben und -einnehmen beim Petzl Neox (ohne eine spezielle Handhaltung) ist toll. Es führt auch dazu, dass man doch mal 20 cm Seil einnimmt, die man mit einem anderen Gerät vielleicht als Schlappseil hängen ließe. So gesehen ist dieses Feature auch ein Sicherheits­aspekt. Auf der anderen Seite muss man das Bremshandprinzip sehr konsequent einhalten.

Wer eh viel mit dünnen und neuen Seilen klettert, findet im Pinch von Edelrid ein interessantes, kompaktes Sicherungsgerät mit einfacher Bedienung. Zum schnellen Seilausgeben mit dickeren Seilen ist die Gaswerkmethode sinnvoll. Die Panikfunktion am Bremshebel ist für ungeübte Sichernde ein gutes Feature.

Hier den gesamten Sicherungsgeräte-Test mit allen Details lesen und als PDF herunterladen!

Text von Olaf Perwitzschky

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