Kolumne "Ehrlich gesagt" zum Thema #störeichwirklichsosehr?

Erika Dürr: "In Deutschland wird eine Nacht in den Bergen verdammt"

Erika Dürr ist Autorin, Bloggerin, Podcasterin ... und unsere ALPIN-Kolumnistin! Im Wechselspiel mit unserem zweiten Kolumnisten, David Göttler, dem Bergführer und einem der erfolgreichsten Höhenbergsteiger Deutschlands, besprechen die beiden aktuelle Themen des Bergsports. In der neuen Ausgabe von "Ehrlich gesagt ..." beschäftigen sie sich mit dem Thema Biwakieren am Berg.

Erika Dürr: "In Deutschland wird eine Nacht in den Bergen verdammt"
© ALPIN - Leben für die Berge

Erikas Meinung zum Thema Biwakieren

Ehrlich gesagt … spreche ich jetzt etwas aus, was man sich heutzutage in Deutschland nicht mehr sagen traut: Ich war biwakieren. Jawohl. In Deutschland wird eine Nacht in den Bergen verdammt. Man störe die Natur und raube ihr den letzten wertvollen Rückzug. Jetzt gehöre ich zu dieser Gattung, die sowieso schon immer penibel vermeidet, irgendwem auf die Füße zu treten. Und gleichzeitig bin ich dort oben immer wieder irritiert, wie oder was genau ich da jetzt störe.

Vollkommen selbstredend: Ich verhalte mich leise, ich hinterlasse den Platz mindestens so sauber, wie ich ihn vorgefunden habe, natürlich mache ich kein Feuer und die Stirnlampe verwende ich nur gedimmt. Auf diese Art habe ich das Gefühl, dass ich mich einfüge in die magische Bergwelt, ich werde eins mit der Natur dort oben. Man wird demütig. Geerdet. Man kommt anders zurück ins Tal.

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#störeichwirklichsosehr?

© Adobe Firefly

Früher waren wir viel mit unserem Vater beim Biwakieren, es war völlig normal. Damals haben wir sogar noch kleine Lagerfeuer gemacht und auf einem heißen Stein Käse geschmolzen. Für mich sind das besonders glückliche Kindheitserinnerungen. Heute ist es ein Spießrutenlauf, ein Versteckspiel.

Ich ertappe mich dabei, dass ich den Menschen inzwischen aus dem Weg gehe, sie zurückhaltend grüße, immer in Habachtstellung, ob ich jetzt gleich entlarvt und verscheucht werde. Ein Jäger drohte mir einmal, dass es immer passieren kann, dass er mich mit Wild verwechsle, wenn ich jetzt nicht sofort absteige. Gleichzeitig finde ich es komplett bescheuert, die Leute nicht mehr herzlich zu grüßen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sind wir nicht alle Teil der Bergwelt?

<p>Erika Dürr (p)lauscht gerne zu Berg­sport-Themen. Und hat als Podcasterin und Bloggerin ihre eigene Meinung zum Thema Biwakieren in den Bergen.</p>

Erika Dürr (p)lauscht gerne zu Berg­sport-Themen. Und hat als Podcasterin und Bloggerin ihre eigene Meinung zum Thema Biwakieren in den Bergen.

© Erika Dürr

In Gesprächen zu dem Thema kommt man rasch zu dem Punkt, dass es eine Sache wäre, Dinge zu tun, und eine andere, darüber zu berichten. Das kollidiert durchaus mit meiner Fotografen-Seele, denn natürlich entstehen gerade zu den Tagesrandzeiten jene magischen Fotos, die ich – touché! – gerne teile, es aber viele Jahre nicht gemacht habe, weil man schließlich nicht übers Biwakieren berichten soll. Inzwischen frage ich mich, ob das so wirklich sinnvoll ist:

Wäre es nicht vielleicht sogar hilfreich aufzuklären, wie rücksichtsvolles, naturverträgliches Biwakieren funktioniert, anstatt einfach zu schweigen? Wie kann es sein, dass in der Schweiz die Nacht in den Bergen vollkommen normal ist und es dort immer noch funktionierende Natur gibt? Womöglich gerade weil die Leute wissen, wie man sich benimmt? Weil sie auf Augenhöhe aufgeklärt wurden und nicht wie Dummköpfe ausgesperrt wurden? Wie ist eure Meinung dazu?

Davids Meinung zum Thema Biwakieren

Zum ganzen Text kommt ihr mit ALPIN+!

Text von Erika Dürr & David Göttler

12 Kommentare

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Ifraun

Ich biwakiere ständig und viel, sehr viel sogar. Ich mache daraus eine Kunst überall einen Schlafplatz zu finden, egal ob in einer Stadt oder "Draußen". Dabei versuche ich Voraussetzungen zu schaffen die mir einen erholsamen Schlaf ermöglichen, so dass ich am nächsten Tag weiter machen kann, mit meinem gewohnten Pensum. Das klappt nicht immer mit dem erholsamen Schlaf.

Ich komme gerade aus Japan, Bären lassen einen 2x überlegen ob man in der Region biwakiert oder vielleicht doch weiter zieht.

Irgendwie finde ich Bären und Wölfe sehr stark regulierend , was den Alpenregion vielleicht gut tun wurde.

Es gibt Themen die haben in der Öfentlichkeit nichts verloren. Ich mache es und behalte es für mich, ich möchte niemanden damit infizieren, denn ich weiss das starke Frequenz einfach alles zerstört.

Lodenfleck

Bivakiere oft, ultralight, man sieht meinem Rucksack meine Absicht nicht an. Sehr wichtig, weil die Jäger in meinen Bergen vor allem im Spaetsommer/Herbst wg Feistzeit/Brunft des Rotwilds total auszucken, fanatisch ??noch nieerwischt, glG

Alex

Wir haben früher viel biwakiert, auch richtig weit oben im Schnee, bei 4000 m. Immer wieder schön. Heute: nicht mehr möglich. Zu viele Leute, nach wie vor getriggert durch die Outdoor Industrie. Die Hälfte derer hatten vor Kurzem mit den Bergen so viel zu tun wie der Fisch mit dem Sandkasten. Die Gefahrenen für potentielle Retter sind zu groß geworden. Leider

alpensalamander

Ich kann mich den Kommentaren nur anschließen. Das Hauptproblem sind aufgehübschte Social Media Beiträge. Diese locken unweigerlich auch Klientel in die Berge, die nicht rücksichtsvoll mit der Natur umgehen können.

Im übrigen findet in der Schweiz zunehmend die gleiche Diskussion statt. Die Leute übertreiben es und übernachten in Scharen an beliebten Orten. Wo es bisher geduldet wurde, wird immer häufiger kontrolliert und auch mit Bussen geahndet.
Es bleibt eine schwierige Gratwanderung zwischen Aufklärung und bei dem Thema zu viel Anziehung zu erzeugen.

Phouse

Leider sind in der Bergen zu viele Menschen unterwegs. Darum ist der Anteil derer, die sich falsch benehmen und Biwaknächte als Party sehen halt auch sehr groß. Aber auch auf Bergütten oder Campingplätzen im Tal benehmen sich diese Zeitgenossen oft daneben. Ohne Verbote geht es leider nicht mehr. Aber, müssen Behörden abgelegene Bereiche in den Bergen wirklich kontrollieren?
Was ist falsch oder verfänglich wenn jemand am Wandfuß oder am Grat biwakiert um die Tour sehr früh zu beginnen und sicher wieder ins Tal zu kommen?
Ich finde das übernachten im Freien sollte oberhalb der Baumgrenze erlaubt sein. Das Erlebnis eine Nacht im Freien zu verbringen darf man eigentlich Niemanden untersagen.
Denkbar wären doch auch genehmigte Biwakplätze die einfach nur als Übernachtungsplatz ohne Zelt genutzt werden dürfen...

Wolfgang

Wenn ich meine Frau zum Thema biwakieren zitieren darf:
"Was ist der Unterschied ob ich mich an einem Ort aufhalte und dabei die Augen offen oder geschlossen halte?"
Wir halten es so, dass wir keine Spuren hinterlassen auch nicht im Internet.

Die Orte der Freiheit werden immer weniger, selbst in unseren Köpfen.

Alice

Warum geht man am Berg biwakieren? Um die Schönheit der Natur, die Aussicht vom Berg, die grandiosen Sonnenauf- und Untergänge und die Stille zu genießen... Für sich. Genau wie es im Artikel steht... Um dankbare Erinnerungen zu sammeln und nicht wie die meisten Influenzer damit Klicks zu generieren. Also einfach für sich genießen und respektvoll mit der Natur umgehen.

Stephan

Für mich ist es unverantwortlich so eine Diskussion überhaupt in einem vermeintlichen Fachjournal zu führen. Unsere Berge sind überfüllt mit ahnungslosen social Media Junkies die so ziemlich alles tun für ein tolles Bild. Die Rettungsdienste
( Ehrenamt) sind an schönen Tagen im Dauereinsatz und berichten haarsträubendes.
Vielleicht hatte man " früher" einfach noch den angemessenen Respekt vor der Natur der heute in vielen Bereichen zu wünschen übrig lässt.

LangerHeinz

Weil in Deutschland das Bergsteigen keine Lobby hat - es gibt keinen mitgliederstärkeren Verband welcher sich mehr als halbherzig hinter die Bergsteiger stellt. Die Sucht nach Anerkennung als Naturschutzverband steht an erster Stelle. Ehemals anerkannte Weisheiten „Wer in der Natur unterwegs-wird diese auch schützen“ sind heute nichts mehr wert.. Schade, dass die heutige junge Generation diese Freiheiten nicht mehr genießen kann - Mit dem Auto in die Berge, Isomatte und Schlafsack, irgendwo ein Dachvorsprung für das nächtliche Gewitter - Irgendwie schade, dass die heutige junge Generation dies nicht einfordert. Egal ich lass mir dies nicht nehmen Berg frei Heinz Buchmann

Jens auf unserer Facebook-Seite

Recht so. Die Hotspots meiden, nicht auffallen, nix hinterlassen und dann ist so eine Nacht, z.B. hier in der Suite 3.104, unvergesslich. In Allgäu-Foren finden manche Mitunmenschen die behördliche Jagd auf "Draußenschlafsünder" auch noch berechtigt... es geht ja um die Natur! Dem Denunziantentum wird hier eine Plattform geboten und manch einer freut sich, wenn er jemanden, der gen Berg zieht, mit vollem Rucksack doch rechtschaffen zur Anzeige bringen kann. Jedermannsrecht für alle!

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