Florian, du hast 2011 und 2012 schon beim Transalpine-Run mitgemacht. Was bewegt einen beim dritten Mal ein paar Jahre später? Doch noch Erster werden, Zeiten verbessern, die neue Streckenführung?
Zeiten und Platzierungen sind eigentlich zweitrangig. Das Abenteuer lockt. Der Transalpine-Run ist jedes Mal aufs Neue eine überraschende und nicht kalkulierbare Herausforderung. Nach einiger Zeit erinnert man sich nur noch an die schönen Begebenheiten des Laufs und die Qualen verblassen. Die spektakulären Streckenabschnitte, der gewonnene Kampf mit sich selbst bis zum Freudentaumel im Ziel, die eigentlich immer freundschaftlichen Fights mit den gegnerischen Teams. All das sind Gründe warum ich den Transalpine-Run jetzt schon zum dritten Mal gelaufen bin.
Nach der ersten Etappe von Garmisch nach Lermoos ging es dir ziemlich elend. Was war los?
Obwohl wir, wie geplant, verhalten angegangen sind hatte ich nach 25 Kilometern einen Einbruch. Zuvor lief es glänzend. Aber dann bekam ich Krämpfe in den Oberschenkeln, mir wurde schwindelig und ich konnte nur noch im Schneckentempo dahinkriechen. Stefan musste zum Schluss sogar meinen Rucksack tragen, der nicht mal zwei Kilogramm wog. Peinlich war das Ganze auch deshalb, weil uns zwei Freunde auf der Strecke entgegenlaufen und ein Stück begleiten wollten. Zwei Trailrunning-Novizen, die uns ganz ehrfürchtig wegen der Teilnahme am Transalpine-Run bewunderten. Jetzt war es aber so, dass die beiden locker plaudernd neben uns herliefen, während ich das Letzte aus mir herausholen musste, um es überhaupt ins Ziel zu schaffen. Den Grund für den Einbruch weiß ich nicht. Mir ist das aber schon öfter passiert.
Kannst du für uns mal einen Etappentag auf dem Transalpine-Run beschreiben.
Sehr früh aufstehen und sich ein ordentliches Frühstück reinwürgen - leider hab ich so früh oft gar keinen Hunger. Dann meist bei kühlen Temperaturen und mit schmerzenden Beinen an den Start stellen. Nach dem Startschuss auf den Teerpassagen viel zu schnell loslaufen, bis einem nach zehn Minuten der Körper sagt: "So nicht!". Zum Glück werden die anderen Läufer zwischenzeitlich auch alle langsamer.
Dann wird es schön: Die Trails beginnen, man wird warm, man gewöhnt sich an die Schmerzen, man genießt die schöne Aussicht auf die Berge. Du triffst auf Betreuer anderer Teams, die dich anfeuern. Mit jedem Meter rückt dann schon das Ziel näher und man freut sich auf die Verpflegung (Weizen, Kuchen, Pizza etc.) und die Erholung (Schuhe ausziehen, Dusche, Massage etc.).
Danach hängt man in der Chillout-Area rum und tauscht sich mit den anderen Läufern aus. Abends ist dann gemeinsames Abendessen mit anschließender Siegerehrung, Briefing für die nächste Etappe und der Vorführung der "Bilder des Tages". Hier werden noch einmal die besten Bilder der zahlreichen Fotografen und Kamerateams gezeigt. Ein schöner Ritus, um den Tag nochmal Revue passieren zu lassen. Dann schauen alle, dass sie möglichst schnell ins Bett kommen, um fit für den nächsten Tag zu sein. Nur nach der letzten Etappe wird es später.
Wie hart dieses Rennen ist, zeigt die Ausfallquote. Im Durchschnitt lauft ihr 35 Kilometer und 2000 Höhenmeter bergauf und bergab – jeden Tag! Mit was für körperlichen Wehwehchen müssen sich hartgesottene Transalpiner rumschlagen?
Außer Muskelkater sind Knieprobleme und entzündete Fußhebersehnen die häufigsten Verschleißerscheinungen, die zum Aufgeben zwingen. Blasen an den Füßen oder abgehende Zehennägel sind Nebenerscheinungen, die eigentlich nicht erwähnenswert sind und wegen denen auch keiner aufgibt. Aufgrund konditioneller Probleme hört kaum einer auf, da sind die Teilnehmer meist gut genug vorbereitet und quälen sich, bis zum Letzten. Aber wenn der Körper den Geist aufgibt, ist man machtlos. Entweder schleppt man den Schaden dann von Etappe zu Etappe bis ins Ziel oder man kapituliert. Die Regeneration von einem Tag auf den anderen funktioniert meist nicht so schnell.
Was war dein persönliches Highlight und der größte Tiefpunkt beim diesjährigen Transalpine-Run?
Das Highlight war für mich die Schlussetappe. Stefan und mir ging es so gut wie an keinem anderen Tag. Wir sind regelrecht über die Berge geflogen. Es hat sich ausgezahlt, dass wir uns die Woche so perfekt eingeteilt haben und unsere Taktik, bergab langsam zu laufen, ist voll aufgegangen. Auch wenn es oft nicht leicht war die anderen Teams bei den Abstiegen an uns vorbeiziehen zu lassen.
Mein persönlicher Tiefpunkt war der Starttag mit meinem Einbruch. Von da ab hatte ich natürlich gehörigen Respekt vor den nächsten Etappen. Als wir dann aber die längste und höchste Etappe mit 48 Kilometern und auf über 3000 Meter erfolgreich hinter uns hatten war mein Selbstvertrauen wieder da.
Hat man beim Transalpine-Run noch Blicke für die tolle Landschaft oder zählt nur die sportliche Herausforderung?
Selbstverständlich schaue ich mir die tolle Umgebung an. Die Strecken sind über lange Phasen echt spektakulär. Allerdings sind die Trails auch recht anspruchsvoll, so dass oft volle Konzentration gefordert ist und nur ab und zu ein kurzer Ausblick möglich ist. Das gilt jedoch nur solange es einem gut geht. Wenn man zu kämpfen hat wie ich am ersten Tag, dann hat man keinen Blick mehr für die Landschaft übrig. Dann zählt nur noch ins Ziel kommen.
In den Kategorien "Men", "Master-Men", "Mixed" und "Women" treten die Läufer in Zweierteams an. Du bist heuer mit dem fünffachen Ironmansieger Stefan Holzner gelaufen. Trainiert man im Vorfeld auch gemeinsam oder bereitet man sich doch lieber alleine auf die Strapazen vor?
Natürlich ist es gut, sich gemeinsam vorzubereiten. Man lernt sich besser kennen, stellt sich aufeinander ein und es macht selbstverständlich auch mehr Spaß. Stefan und ich haben gegen Ende des letzten Jahres beschlossen gemeinsam zu laufen und uns um einen Startplatz gekümmert. Wir sind des öfteren bei Stefan, der am Thumsee bei Bad Reichenhall wohnt, gemeinsam zum Laufen gegangen. Die Gegend dort ist wunderschön und eignet sich hervorragend zur Vorbereitung, da man dort alle Geländevarianten des Transalpine-Runs vorfindet. Dabei sind auch Taktik, Technik und Ausrüstung besprochen worden und wir konnten auch persönlich zusammenwachsen
Was macht eine gute Partnerschaft beim Transalpine-Run aus?
Du musst nicht nur auf deinen Körper, sondern auch auf den deines Partners achten - ihn zu gegebener Zeit fordern, aber nicht überfordern oder auch mal bremsen. Außerdem natürlich, dass man sich gut versteht und miteinander Spaß hat, sowohl beim Laufen als auch danach in der Chillout-Area.
Wie unterscheiden sich deine drei bisherigen Partner und wie wirkt sich das auf den Transalpine-Run aus?
Jojo ist ein langjähriger Sportfreund mit dem ich ein Abenteuer erleben wollte. Leider ist er gleich nach der ersten Etappe 2011 ausgefallen und ich musste das Abenteuer alleine durchstehen. Volkmar war, nachdem mein eigentlicher Partner verletzungsbedingt ausgefallen ist, ein völlig unbekannter Lückenbüßer, den ich zwei Wochen vor dem Start 2012 via Internet und Telefon gefunden habe. Unsere Ambitionen waren daher sehr verhalten und eigentlich wollten wir nur zusammen das Ziel erreichen. Das wir dann Gesamtzweiter wurden, war eine kleine Sensation. Stefan, mein Laufpartner von heuer, ist eigentlich mein langjähriger Erzrivale bei den lokalen Sportveranstaltungen im Chiemgau. Da habe ich getreu dem Motto "Mach dir deinen Feind zum Freund" gehandelt. Wir wollten vorne mitlaufen und hatten uns Chancen auf einen Podestplatz in der Altersklasse "Master-Men" ausgerechnet. Mit dem ersten Platz sind wir natürlich sehr zufrieden und das Beste war, dass wir im Ziel immer noch fit und ohne Blessuren waren
Alle drei sind sportlich sehr ehrgeizig. Aber der Sport ist dennoch für alle nur ein Hobby und sie wissen um die vernünftige Einordnung gegenüber Gesundheit und Familie. Da haben wir die gleichen Wertevorstellungen und deshalb hat das auch jedes Mal super geklappt.
Wie wichtig ist es dir deine Familie von Etappe zu Etappe dabei zu haben? Dein Sohn Xaver hat dich ja auch im Ziel der Schlussetappe begrüßt. Lenkt die Familie eher ab oder baut sie auf?
Mich baut die Familie auf, auch wenn die nötige Zuwendung nach dem Lauf manchmal auf Kosten der Regeneration geht. Xaver will natürlich auch seinen Spaß haben und dann ist manchmal eben Spielplatz oder Toben angesagt statt eines eigentlich nötigen Erholungsschläfchens. Auch die Erlebnisse und Erfahrungen werden intensiver wahrgenommen, wenn man sie mit anderen Menschen teilen kann. Das gilt im positiven wie auch im negativen Sinne. So wird der ganze Transalpine-Run zum Familienabenteuer
Ist der Transalpine-Run auch etwas für den joggenden Otto-Normalverbraucher?
Der joggende Otto-Normalverbraucher wird beim Transalpine-Run überfordert sein. Aber für alle Trail-Läufer ist er auf jeden Fall geeignet, solange man sich die Tour und die einzelnen Etappen gut einteilt und sich entsprechend vorbereitet. Der Lauf ist bestens organisiert und stellt ein großes und gemeinsames Abenteuer dar. Die Strecken sind unheimlich schön und anspruchsvoll. Die abendliche Show ist superklasse. Ich empfehle jedem Trail-Läufer unbedingt einmal am Transalpine-Run teilzunehmen.
Noch einmal Transalpine-Run...oder war's das?
Stefan hat auf der Schlussetappe schon vom nächsten Mal gesprochen. Ich war noch etwas skeptisch und habe mich nicht festlegen wollen. Aber mal schauen, die negativen Erinnerungen und Qualen verblassen schon. Außerdem bin ich wegen meines gebrochenen Schlüsselbeines im Moment zur Ruhe gezwungen, obwohl ich eigentlich bei der Tour de Tirol in Söll und beim Salzburg Trailfestival zuschlagen wollte. Da ist viel aufzuholen, wenn es wieder geht.
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