Sport und Fitness mit Endoprothese

Bergsport mit einem künstlichen Gelenk - Wie geht das?

Die Menschen werden immer älter und sind im Alter immer fitter. Eine wachsende Zahl von Menschen jenseits der 60 treiben regelmäßig Sport. Doch mit dem Alter häufen sich oft auch Gelenkbeschwerden. Bedeutet ein Implantat in der Hüfte oder im Knie zugleich ein Ende des Lieblingssports?

Bergsport mit einem künstlichen Gelenk - Wie geht das?
© picture alliance / Sigrid Gombert

Knackpunkt Knie und Hüfte

Aktives Altern fördert Gesundheit und Wohlbefinden. "Voraussetzung ist ein intakter Bewegungsapparat", erklärt Dr. Bernhard Huter, Orthopäde aus Innsbruck.

"Doch die großen Gelenke des Körpers, Knie und Hüfte, sind im Lauf des Lebens großen Belastungen ausgesetzt. Nicht selten macht sich im Alter Verschleiß bemerkbar." Angesichts der demographischen Entwicklung kommt schmerzhafte Arthrose immer häufiger vor. Wirksame Behandlungen fehlen.

<p>Bergsport ist auch mit künstlichen Gelenken möglich. </p>

Bergsport ist auch mit künstlichen Gelenken möglich. 

Huter: "Wenn die Beschwerden die Lebensqualität beeinträchtigen, sollte an ein künstliches Gelenk gedacht werden." Dazu entschließen sich immer mehr Menschen. Die Zahl der Prothesen-Operationen nimmt in Deutschland stetig zu. Im vergangenen Jahrzehnt stieg die Anzahl der Hüftprothesen um ganze neun Prozent.

Inzwischen werden mehr als 300.000 künstliche Hüften und Knie pro Jahr implantiert.

Künstliches Hüftgelenk: Ab wann wieder in die Berge?

"Wird ein Gelenk durch eine Prothese ersetzt, geht es in erster Linie darum, Schmerzen zu beseitigen", stellt der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie fest.

Huter ist selbst Bergsteiger und kann daher gut verstehen, dass sich Bergsport-Begeisterte einige Zeit nach der Operation - wenn die Schmerzen verschwunden sind und die Beweglichkeit wieder da ist - wieder mehr belasten wollen. "Viele meiner Patienten fragen mich, ob sie mit dem künstlichen Gelenk wieder in die Berge gehen können", berichtet Huter.

<p>Ab in die Berge - auch mit künstlichen Gelenk.</p>

Ab in die Berge - auch mit künstlichen Gelenk.

© picture alliance / Gaby Wojciech

Der Orthopäde gibt zu, dass die Studienlage zur sportlichen Belastbarkeit von Prothesen wenig überzeugend ist: "In den wenigen Untersuchungen, die es gibt, kommt Bergsport nicht vor." Die Empfehlungen für Bergsportler mit künstlichen Gelenken beruhen daher vor allem auf Erfahrungswerten.

Bewegung kann die Haltbarkeit von Prothesen sogar verlängern

Grundsätzlich aber gilt: Moderate und wohl dosierte sportliche Aktivität beeinflusst vermutlich die Lebensdauer eines künstlichen Gelenkes positiv. Das bedeutet: Die Haltbarkeit verlängert sich. Voraussetzung dafür sind eine gute Nachbehandlung nach der Operation sowie eine starke und gut funktionierende Muskulatur. "Koordination und Kraft sind die entscheidenden Faktoren", sagt Huter.

<p>Postoperative Maßnahmen nach einer Hüftoperation.</p>

Postoperative Maßnahmen nach einer Hüftoperation.

© IMAGO / INSADCO

Der Orthopäde rät seinen Patienten daher, Sportarten wieder aufzunehmen, die sie vor der Operation schon betrieben haben. "Wenn man einen Sport beherrscht, lässt sich die Belastung auf die Gelenke besser einschätzen und vor allem mindern." 

Ungünstig für künstliche Gelenke sind Stoßbelastungen, wie sie bei Sportarten mit Sprüngen oder abrupten Richtungswechseln vorkommen. Diese Belastungen können dazu beitragen, dass sich eine Prothese im Knochen schneller lockert.

Bergsport mit künstlichem Gelenk: Wandern tut der Seele und dem Gelenk gut

Wandern gilt unter diesen Gesichtspunkten als idealer Sport für Menschen mit künstlichem Gelenk: Die Belastungen sind moderat, eher sanft und Stoßbelastung kommen praktisch kaum vor. "Wandern ist ausgezeichnet für die Knochenqualität, den Körper und die Psyche - und damit auch für die Prothese", fasst Huter zusammen.

Fürs Bergsteigen, womöglich sogar mit Steigeisen, sieht er mehr Risiken als Vorteile: "Aus ärztlicher Sicht kann ich diesen Sport Menschen mit künstlichem Gelenk nicht wirklich empfehlen. Letztlich muss aber jeder für sich die Risiken abwägen."

<p>Trekkingtouren gehen auch mit künstlichen Gelenk.</p>

Trekkingtouren gehen auch mit künstlichen Gelenk.

© IMAGO / Westend61

Daher gibt der Orthopäde erfahrenen Bergsteigern schon mal grünes Licht. Eher selten stellen Patienten die Frage, ob auch Klettern möglich ist. Huter rät davon ab, wegen des hohen Sturzrisikos: "Bricht der Knochen, in dem die Prothese sitzt, ist die Versorgung meist recht problematisch." Schon scheinbar unproblematische Stürze ins Seil und der nachfolgende Aufschlag auf die Wand bergen diese Gefahr.

Ausgezeichneten Kletterern mit Hüftprothese, die unbedingt wieder ihren Sport machen wollen, empfiehlt er Klettern im Nachstieg. Trekkingtouren sind dagegen auch mit Prothesen möglich. "Allerdings frühestens zwölf Monate nach der Operation", schränkt Huter ein. Während der Orthopäde Menschen mit Knieprothesen nur leichtere Touren empfiehlt, sieht er für jene mit einer künstlichen Hüfte weniger Einschränkungen.

Bergsport mit Prothese: Vorsicht vor Infektionen

Vorsicht jedoch vor Infektionen: Die Keime, die einen eitrigen Zahn oder eine Lungenentzündung auslösen, können in die Blutbahn gelangen und sich in der Folge am künstlichen Material der Prothese festsetzen. "Unter Umständen macht es bei längeren Touren daher Sinn, Antibiotika einzupacken" sagt Huter.

<p>Dr. Bernhard Huter aktiver Bergsteiger und Orthopäde.</p>

Dr. Bernhard Huter aktiver Bergsteiger und Orthopäde.

Text von Ralph Müller-Gesser